Rochaderecht wird überschätzt – oder doch nicht?

Zum 2. Heimspiel der Saison bekamen wir es mit den Schachfreunden vom SC Bamberg zu tun. Diese traten diesmal fast in Bestbesetzung an, nur ein Ersatzspieler gesellte sich zu 7 Stammspielern. Wir Gröbenzeller konnten allerdings genauso dagegenhalten, nur Alexander fehlte und wurde durch Franz vertreten. Es war also von Anfang an klar, daß das 6:2 vom Vorjahr auf keinen Fall wieder erreicht werden könnte.

Schon nach relativ kurzer Zeit war an Brett 3 in einer Caro-Kann-Partie zwischen Altmeister Josef Pribyl und Christian “die Luft raus” und man einigte sich auf Remis.

An Brett 5 geschahen wundersame Dinge: In der Tschigorin-Variante des Damenbauerspiels ergab sich nach 12 Zügen eine ungewöhnliche Stellung mit weissem Doppelbauer auf d3 und d4 sowie unrochiertem König auf f2. Natürlich ist das alles schon mal dagewesen, aber Tom musste mit Schwarz alles am Brett finden. Dann allerdings wurde es unheimlich: Tom’s Gegner Plöhn stellte mit 13.a3 direkt den Bauern auf d4 ein und verschwand danach eine halbe Stunde kommentarlos vom Turnierareal. Trotz intensiver Suche konnte er vom Schiedsrichter und von den Mannschaftsführern nicht dingfest gemacht werden, deshalb wurde die Partie regelkonform für Weiß verloren gewertet.

An Brett 7 hatte Uli mit Schwarz in einem geschlossenen Franzosen seinen schwarzfeldrigen Läufer etwas unmotiviert abgetauscht und anschließend mit den restlichen Figuren keine gute Koordination gefunden. Nach der weißen Ungenauigkeit 19.Df3 hätte Uli vielleicht mit 21…Tad8 wieder ausgleichen können. Nach stattdessen 21…Df7 spielte sich der weiße Königsangriff fast von selbst und Uli gab die Partie im 26. Zug auf.

Auch Bernd’s weißer König (Brett 2 gegen Burdalev) wollte das Rochaderecht nicht nutzen und begab sich in einem Vorstoß-Franzosen über e2 nach f2, später über g1 und f2 wieder zurück zum Stammfeld e1. Das war jedoch alles sehr solide und durchaus korrekt vorgetragen. Bei der anschließenden Analyse waren wir uns nicht ganz einig, ob der schwarze Bauer e6 im 15. Zug eingestellt oder geopfert wurde – die einschlägigen Engines bewerten den Bauernverlust nicht sonderlich schwerwiegend. Schwarz bekommt im Gegenzug immerhin einen aktiven Läufer auf g6. Im weiteren Verlauf konnte Schwarz den Bauern durch aktives Spiel zurückgewinnen und die Partie im Gleichgewicht halten – Remis im 66. Zug.

Zu diesem Zeitpunkt sah der Kampf überhaupt nicht gut für Gröbenzell aus, da Karsten und Waldemar komplett auf Verlust standen und die Partien von Franz und Ron kein wirkliches Gewinnpotential hatten. Ein 3:5 aus Gröbenzeller Sicht schien fast unvermeidlich.

Karsten hatte in der Caro-Kann-Vorstoßvariante einen Zug zu früh auf f3 genommen, besser wäre wohl 11…Sc6 mit Ausgleich gewesen. In der weiteren Folge konnte auch sein König das Rochaderecht nicht mehr ausüben und landete denkbar ungünstig auf f8. Sein Gegner Kolb mauerte daraufhin sehenswert mit 20.f5! den kompletten schwarzen Königsflügel ein und konnte nach doppeltem Bauerngewinn das Turmendspiel mit leichter Hand gewinnen.

Ron konnte mit Weiß gegen Hofmann leichten Stellungsvorteil rausholen und hätte diesen mit 15.dxc5 und anschließendem Spiel gegen den schlechten schwarzen Läufer weiter verdichten können. Sein mysteriöser Zug 15.Lf1 gab den Zuschauern Rätsel auf und dem Gegner die Möglichkeit, mit c4 und b4 nebst bxc3 die b-Linie zu öffnen sowie einen Stützpunkt auf b3 zu etablieren. Nach Abtausch der Schwerfiguren war im Endspiel auch hier die Luft raus, nach weiterem Abtausch der Leichtfiguren sowie aller Bauern standen im 50. Zug nur noch die beiden Könige auf dem Brett.

Immer noch stand Waldemar an Brett 6 total auf Verlust, deshalb hofften wir beim Stand von 2,5:3,5 gegen uns auf einen Sieg von Franz an Brett 8 sowie auf ein Wunder bei Waldemar – und so kam es dann auch.

Waldemar hatte sich nach relativ ausgeglichenem Eröffnungsverlauf bei schwindender Bedenkzeit im 27. Zug von Schwarz mit 27…e4?! aus dem Konzept bringen lassen und mit 28.Sa2? fehlgegriffen – der eiskalte Konter 28.Sxe4! Dxe4 29.f6! hätte das Blatt zu seinen Gunsten gewendet. Stattdessen musste er sich die nächsten 18 Züge mit einer Minusqualität herumschlagen, hatte allerdings mit einem gedeckten Bauern auf g7 einen gefährlichen Nagel in der schwarzen Königsstellung stecken – und genau dieser wurde seinem Gegner Mittag zum Verhängnis. In der irrigen Annahme, seinem König wäre nicht beizukommen, baute er weiter an einem Mattangriff gegen den weißen König und wurde prompt mit Turmverlust im 48. Zug bestraft. Das Endspiel mit Mehrfigur konnte Waldemar dann in der Folge relativ problemlos gewinnen.

Beim Stand von 3,5:3,5 war es also an Franz, seinen Angriff mit Dame, Springer und Freibauern gegen den entblößten schwarzen König weiter zu verstärken. Allerdings bedurfte es auch hier der kräftigen Mithilfe seines Gegners Krauseneck, der mit 40…Dc7! die Partie hätte halten können. Nach dem schwachen 40…Dc5 konnte die Franz’sche Dame weitere Bauern einsammeln und den eigenen Bauern letzlich zur Umwandlung verhelfen. Endstand also 4,5:3,5 für Gröbenzell.

Unter dem Strich war dies ein ungemein glücklicher Sieg für uns, der aber sehr gegen den Abstiegskampf hilft.