5:3 mit 7:1

Was ist das denn jetzt schon wieder? Die aktuelle Abstandsregel oder womöglich ein neues Impfkonzept?

Moment – wir sind ja hier beim Schach! Nach 4 Monaten Schach-Live-Entzug wurden wir beim Oberliga-Auswärtskampf gegen den Bundesliga-Absteiger SC Garching endlich wieder auf reale Schachbretter losgelassen, die so ganz anders aussehen als die Pixel-Imitate bei Lichess. Dazu gesellten sich noch echte Gegner aus Fleisch und Blut. Dabei stand der Wettkampf noch vor dem Anpfiff bei 7:1, zählten die Garchinger doch sage und schreibe 7 Titelträger in ihren Reihen und wir nur einen.

Karsten hatte am ersten Brett mit Weiß im Averbach-System schon nach wenigen Zügen das breite 4-Bauern-Zentrum aufgebaut, dann jedoch mit 9.e5 den Offensiv-Bogen zu weit überspannt. Sein Gegner Christian Köpke konnte einen starken Bauern auf e4 etablieren, der Karstens Entwicklung hemmte und Schwarz außerdem aktives Figurenspiel bescherte. Der weiße König blieb folgerichtig auf seinem Ausgangsfeld stecken, und kurz bevor er dort erlegt werden konnte, gab Karsten im 20.Zug auf.

Walid hatte an Brett 6 mit Schwarz gegen Seifert im Meraner System einen schweren Stand, nachdem Weiß seinen Springer auf c4 in Verbindung mit einem starken Bauern auf e5 etablieren konnte. Walid suchte erfolglos nach Gegenspiel, verlor dann seinen Bauern auf a6 und bald auch die Partie.

Bertl bekam es an Brett 4 gegen Bredl mit einem aktuellen Abspiel der Tschigorin-Variante zu tun. Nach zunächst starker Eröffnungsbehandlung von Weiß hätte Bertl mit 17…Sd5 eine gute Gelegenheit zur Kompensation seines Minusbauern nutzen können. Stattdessen konnte Weiß mit seinem Läuferpaar die Stellung weiter verstärken. Bertls Konter mit Qualitätsopfer und Monsterspringer auf d5 brachte dann leider nicht den erhofften Gegenangriff und Bertl musste im 36. Zug in hoffnungsloser Stellung die Waffen strecken.

Nach diesem schnellen 3:0 sah es schon früh danach aus, daß die Garchinger ihre nominelle Überlegenheit auch in einen realen Sieg ummünzen könnten. Einige der noch laufenden Partien gaben uns Gröbenzellern jedoch Anlass zur Hoffnung, die Mannschaftspunkte vielleicht doch noch teilen zu können.

An Brett 3 konnte Tom von einer Gemeinschafts-Analyse einer von Dubov kürzlich wiederbelebten Variante des schon bald 400 Jahre alten Greco-Angriffs der italienischen Eröffnung profitieren. Seine Gegnerin Elena Köpke fand sich im komplizierten Eröffnungs-Gestrüpp nicht gut zurecht und verpasste einige Gelegenheiten, ihre Stellung zu verbessern. Zu ihrer aufkommenden Zeitnot kam noch hinzu, daß der auf a5 im Abseits stehende Springer erst nach 15 Zügen wieder ins Spiel zurückfand. Schwarz verlor danach mehr und mehr Bedenkzeit, dann den Faden, schließlich einige Bauern und zuletzt den ganzen Punkt.

Waldemar sah sich an Brett 8 mit Schwarz bei seinem Einstand in der ersten Mannschaft gegen seinen jugendlichen Gegner Werner mit einem Alapin-Sizilianer konfrontiert. Die von Weiß heraufbeschworenen Fesselungsmotive auf der d-Linie konnte er mit 19…De8 sehr wirkungsvoll entkräften. Nur wenige Züge später nahm Weiß ohne Not das Angebot an, sich seinerseits den Läufer auf der 5. Reihe fesseln zu lassen und sich damit in große Schwierigkeiten zu begeben. Nur mit 25.a4! (mit der Idee 25…Dxd2 26.Dxb7) wäre die Partie im Gleichgewicht geblieben. Stattdessen verlor Weiß den gefesselten Läufer kompensationslos. Gratulation an Waldemar zum Einstandssieg!

In der sogenannten Fort-Knox-Variante im Rubinstein-Franzosen konnte Bernd an Brett 2 mit Schwarz gegen Rusche das weiße Läuferpaar nicht wirklich kompensieren. Schließlich bewerkstelligte er tatsächlich dessen Halbierung, allerdings zum Preis eines isolierten Bauern auf der e-Linie. Weiß konnte die Stellungsvorteile in Verbindung mit Grundreihen-Mattmotiven weiter verdichten, was zwar zu einer überragenden Gewinnstellung, aber auch zu hohen Bedenkzeiteinbußen führte. Möglicherweise geblendet von den Möglichkeiten seines Mattangriffs vernachlässigte Weiß dann die eigene Königssicherheit sträflich, was sich Bernd in Form eines Damen-Dauerschachs gekonnt zunutze machte.

Es ergab sich also für Ron und Franz die undankbare Aufgabe, aus 2 nahezu ausgeglichenen Stellungen beim Stand von 3,5:2,5 gegen uns noch mindestens 1,5 Punkte zu holen. Rons Partie mit Weiß gegen Renner erschien dafür denkbar ungeeignet, da sich die Stellungsbewertung während des gesamten Partieverlaufs nur um wenige Prozentpunkte aus der Remisbreite entfernte. Sein sauber vorgetragener Königsindischer Angriff wurde von Schwarz ebenso fehlerlos erwidert und mündete in einem völlig ausgeglichenen Leichtfigurenendspiel.

So musste beim Stand von 4:3 für Garching Franz mit Weiß gegen Schimpf noch versuchen, die letzten Angriffsressourcen gegen die schwachen schwarzen Felder um den schwarzen König mit Dame und Läufer zu nutzen, um das Ruder vielleicht doch noch herumzureissen. Nach dem erzwungenen Damentausch im 42.Zug war dann jedoch die Luft raus und es deutete sich das Remis an. Leider unterlief Franz dann im 50.Zug noch ein Mißgeschick (50.Lf4 hätte die Partie wohl noch gehalten), aber das änderte am verdienten Sieg der Garchinger nichts mehr.

Mit dem 3:5 im Gepäck durchlebten wir bei schönem Wetter und einigen passenden Getränken anschließend den Wettkampf noch einmal und kamen zu dem Schluß, daß wir uns gegen einen der Liga-Favoriten doch recht ordentlich verkauft haben. Auf jeden Fall haben wir Gröbenzeller das Schachspielen während der Corona-Pause nicht verlernt!