Der Fluch des Mehrbauern

Verkehrte Schachwelt beim Heimwettkampf gegen Post/Süd Regensburg. An zahlreichen Brettern kann man folgendes Szenario beobachten: wer sich zunächst über einen mehr oder weniger soliden Mehrbauern freuen kann, muss am Ende über die Punkteteilung froh sein – oder es passiert gar noch Schlimmeres.

Bernd hat schon bald den Analyseraum ganz für sich, denn die Regensburger reisen nur mit 7 Spielern an. Der Spielverlauf an den übrigen Bretter mit teilweise unkonventioneller Eröffnungsbehandlung bietet ihm reichlich Unterhaltung.

Aus den Startlöchern attackiert Walid heftig am Königsflügel, bereits nach 13 Zügen sind h- und g-Linie geöffnet. Nachdem er seinen König am Damenflügel in Sicherheit gebracht hat, erscheint die weiße Stellung sehr vielversprechend. Ein erzwungenes Qualitätsopfer des Nachziehenden verändert den Stellungscharakter jedoch vollständig. Der schwarze Monarch muss nichts mehr befürchten, stattdessen machen sich die weißen Bauernschwächen rasch bemerkbar. Noch vor der Zeitkontrolle muss Walid die Segel streichen.

An Brett 7 rührt der Anziehende ein passives Doppelfianchetto an. Franz schnappt sich bereits nach wenigen Zügen einen Zentrumsbauern. Mit der Rückgewinnung hätte er seinen Gegner durchaus längere Zeit beschäftigen können. Stattdessen strebt Franz eine Isolaniestellung an, die dank der aktiveren Figurenaufstellung ebenfalls gutes Spiel bietet. Jedoch verwandelt eine ungünstige Abtauschserie seine Bauernstruktur in eine Ruine. Bald bleibt nur noch die Aufgabe und wir geraten noch vor der Zeitkontrolle 1:2 in Rückstand.

Uli kommt in einem offenen Spanier gut aus der Eröffnung. Aber auch hier verursacht eine Abtauschserie strategische Probleme, Uli muss ein Endspiel mit Minusbauer verteidigen. Nun greift der Fluch ins Spielgeschehen ein. Ulis Gegner verliert durch zu aggressives Vorgehen den Mehrbauern wieder und entscheidet sich unmittelbar nach der Zeitkontrolle für eine Remisabwicklung.

Tobi hat das Geschehen an den Nachbarbrettern aufmerksam verfolgt. Nach ruhiger Eröffnung verzichtet er im tiefen Mittelspiel wohlweislich auf einen möglichen Bauerngewinn (28.Lxb7). Stattdessen verstärkt er in aller Ruhe den Druck in der c-Linie, bis sein Gegner ihm einen Freibauern gönnt. Am Ende gewinnt der Regensburger tatsächlich noch einen Bauern, muss aber schon im nächsten Zug aufgeben. Reife Leistung von Tobi und Ausgleich 2,5:2,5.

Am Spitzenbrett wird in einem slawischen Damengambit erwartungsgemäß hochklassig gerungen. Auch ein taktisches Intermezzo im Zulauf zur Zeitkontrolle bringt die Partie nicht wesentlich aus dem Gleichgewicht. Karsten gewinnt im 39. Zug einen Bauern, aber ein ungenauer Folgezug lässt einen Verwertungsversuch gar nicht erst zu. Kurz darauf wird ein gerechtes Remis vereinbart.

Tom spielt die Eröffnungsphase sehr stark, bereits nach 18 Zügen erreicht er ein Schwerfigurenendspiel mit Mehrbauer. Ganz allmählich entfaltet aber auch hier der Fluch seine Wirkung, jedenfalls findet sich Tom 20 Züge später in einem Turmendspiel mit Minusbauer wieder. Sein Gegner will lieber nichts riskieren und bietet wenig später die Punkteteilung an.

Besonders brutal schlägt der Mehrbauernfluch dann in der matchentscheidenden Partie zu. Christian opfert im frühen Mittelspiel einen Bauern, der Nachweis der Kompensation gelingt ihm aber nicht. Mehr und mehr wird seine Stellung eingeschnürt, das schwarze Läuferpaar spielt groß auf. Nur die Damen auf dem Brett bei beidseitig knapper Bedenkzeit halten Christian von der Aufgabe ab. In der 6. Spielstunde zeigt sein Kontrahent, der bis dahin eine souveräne Partie hingelegt hat, plötzlich Nerven. Statt seinen Mehrbauern durchzuschieben lässt er das Eindringen der weißen Dame zu, womit ein Dauerschachszenario realistisch wird. Ein vorwitziger weißer Freibauer bringt ihn endgültig aus dem Konzept und er stellt Haus und Hof ein.

Christians glücklicher Sieg bringt uns zwei Mannschaftspunkte und die überraschende Tabellenführung ein, mannschafts- und brettpunktgleich mit Rosenheim und Garching. Im Dezember steht das Match gegen Tabellenschlusslicht Kareth-Lappersdorf an. Wird der Fluch bis dahin aufgehoben sein?

(cg, 15.11.2021)