Schach in den Zeiten von Corona

„Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ heißt ein wunderbarer Roman des kolumbianischen Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez. Darin finden ein alter Mann und eine Witwe ein halbes Jahrhundert später die Erfüllung ihrer Jugendliebe bei einer absurd-romantischen Flussschifffahrt, während das Land ringsum im Chaos zu versinken droht. In etwa vergleichbar sind unsere Gefühle, als wir nach mehrmonatiger Zwangspause wieder zum Mannschaftskampf zusammenkommen, uns dabei aber auch mit den Bestimmungen des Schutz- und Hygienekonzepts auseinandersetzen müssen. Dank der großzügigen Räumlichkeiten in der Alten Schule, des prächtigen Wetters (das Öffnen der Fenster drängt sich geradezu auf) und des disziplinierten Verhaltens der Spieler gibt es keine Probleme bei der Durchführung der Veranstaltung. Aber nicht bei allen Spielern stellt sich unter diesen Umständen der Spaß am Wettkampfschach ein. Und man mag sich auch nicht vorstellen, wie das Schutz- und Hygienekonzept in beengteren Räumlichkeiten bei strammem Winterwetter umgesetzt werden kann.

Durch die Absage von Passau für die Schlussrunden haben wir uns schon vor dem heutigen Spieltag die Meisterschaft endgültig gesichert. Dementsprechend sind unsere Gedanken teilweise schon auf die anschließend geplante Feier mitsamt Vorbesprechung der kommenden Saison gerichtet. Die Gastmannschaft aus Rottal muss hingegen noch um den Klassenerhalt kämpfen und tritt in kompakter Aufstellung an.

Bernd testet mit einem Remisangebot nach 6 Zügen die Wassertemperatur – und erhält einen Korb! Dennoch akzeptieren Karsten, Ron, Christian und Uli nacheinander frühe Remisangebote ihrer Gegenspieler, jeweils in ausgeglichener Stellung. Bernds Kampfeslust ist nach dem abgelehnten Remisangebot erwacht, er überrollt seinen Gegner überzeugend. Mario neutralisiert die Eröffnungsinitiative seines Gegenüber sorgfältig und begräbt ebenfalls das Kriegsbeil. Debütant Aurelian hat bald ein ausgeglichenes Endspiel auf dem Brett, findet dann aber keine optimale Figurenaufstellung. Sein erfahrener Gegner manövriert geduldig und gewinnt schließlich einen Bauern und die Partie. Irgendwie standesgemäß muss beim Stand von 3,5:3,5 also die Partie zwischen den beiden Mannschaftsführern das Match entscheiden. In einem scharf angelegten Najdorf-Sizilianer überzieht der Anziehende seine Stellung. Tom schneidet den weit in sein Lager eingedrungenen gegnerischen Leichtfiguren geschickt den Rückzug ab und erzielt entscheidenden Materialgewinn.

Somit gewinnen wir den Wettkampf mit 4,5:3,5 und bleiben in der gesamten Saison unbesiegt. Überhaupt können wir mit der sportlichen Saisonleistung recht zufrieden sein. Die meisten Mannschaftssiege wurden überzeugend herausgespielt, nur bei den wackligen Vorstellungen gegen Freising und den MSC mussten wir unseren Kopf mit Glück und Geschick aus der Schlinge ziehen. Auch die individuellen Erfolgsbilanzen fallen überwiegend positiv aus, an der Spitze stehen Ron und Tom mit jeweils prächtigen 6 Punkten aus 8 Partien. Die beiden teilen sich auch den Titel des Ligakönigs der Landesliga Süd, der damit zum 4. Mal in Folge in unseren Reihen gekürt wird – herzlichen Glückwunsch!

(cg, 14.09.2020)

Nachtrag 21.09.2020: Mit einem Schlussrundensieg sichert sich tatsächlich noch GM Andrei Maksimenko von Tarrasch München mit 6/7 den Titel des Ligakönigs. Ron und Tom belegen zusammen mit Soham Das (ebenfalls Tarrasch München) den 2. Platz in der Bestenliste mit jeweils 6/8. Allen Genannten herzlichen Glückwunsch zur tollen Saisonleistung!