Der Saison einen Riegele nachgeschoben

Traumhaftes Frühlingswetter in Augsburg, ein bestens bekannter und in der Vergangenheit meist dankbarer Gegner im Spiellokal – wie könnte man da den Sonntag anders verbringen wollen als am Schachbrett? Der sportliche Wert der Begegnung ist eher nachrangig. Zwar haben wir noch theoretische Aufstiegs- und Kriegshaber ebensolche Abstiegschancen, das Ligaorakel hat die jeweilige Wahrscheinlichkeit aber mit <1% ausgerechnet. Im Unterschied zu manchem Parallelkampf, in denen das eine oder andere Brett unbesetzt bleibt, machen sich um 10 Uhr 16 ziemlich motivierte Klötzchenschieber ans Werk.

Karsten ist offensichtlich besonders motiviert, seine Saisonbilanz zu einem symmetrischen Abschluss zu bringen. Dazu fehlt nach der Auftaktniederlage gegen IM Grimberg und sieben(!) Unentschieden in Folge noch der volle Punktgewinn. Gegen das angenommene Damengambit strebt er nach Damentausch eine harmlos anmutende Stellung an, die tatsächlich aber für den Nachziehenden ziemlich unangenehm ist. 12…Ke8?! ist offensichtlich aus der Not geboren und sieht verdächtig aus, wird damit doch der Königsturm zunächst wieder eingesperrt, der schon ungeduldig in seiner Ecke zappelt. Es ist fast demütigend, dass dieser Turm erst im letzten Zug der Partie ein aktives Feld besetzen darf und dort dann direkt einkassiert wird. Karsten spielt die ganze Partie druckvoll und präzise – ein Meisterwerk, das die Analyse lohnt.

Auch an Brett 4 werden in einem offenen Sizilianer rasch die Damen getauscht. Toms Stellung macht optisch einen passiven Eindruck, tatsächlich gleicht das Gegenspiel in der f-Linie die Chancen aber vollkommen aus. Sein jugendlicher Gegner kommt mit der ungewöhnlichen Struktur nicht gut zurecht und trifft einige positionell fragwürdige Entscheidungen. Tom sammelt die Vorteile dankbar ein und erobert am Damenflügel immer mehr Raum. Als sein Turm nach einigen Zwischenstopps auf der 2. Reihe ankommt, bricht die weiße Stellung zusammen.

Franz findet in der königsindischen Struktur keine stabile Auffangstellung am Königsflügel und wird systematisch eingedrückt. Sein Gegner bringt den Angriff sauber zu Ende, so dass sich das Matt schließlich nicht mehr verhindern lässt.

Gegen einen starken Gegner spielt Tobi eine durchgehend überzeugende Partie. Seine Dominanz in der einzig offenen Linie sorgt für ständigen Druck auf die schwarze Stellung. In der Zeitnotphase hält sein Gegner nicht mehr stand und stellt einen Bauern ein, dem innerhalb weniger Züge zwei weitere folgen. Stark gespielt.

Bertl, ohnehin nicht für eine übertrieben materialistische Einstellung bekannt, sucht in seiner Partie von Anfang an nach Opfermöglichkeiten und wird bereits im 7. Zug fündig. Die ersten beiden Bauern lassen sich noch verschmerzen, doch 21..Lxg2? treibt das Spiel dann doch zu weit. Mit seinen houdinesken Fähigkeiten (das bezieht sich auf den Entfesselungskünstler, nicht die Engine!) gelingt es Bertl aber, sich noch einmal am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Um die Zeitkontrolle herum sind Material und Chancen wieder mehr oder weniger ausgeglichen. Als sein Gegner den schönen Zwischenzug 44.Lf4! entkorkt, kann allerdings auch Bertl kein Schlupfloch mehr finden.

Mit dem gekünstelten 8.Sh3?! bringt sich Mario selbst in Schwierigkeiten. Der Springer steht dort ungünstig und lädt den Gegner geradezu zum Bauernsturm am Königsflügel ein. Mario bleibt aber cool und übernimmt wieder die Kontrolle, nachdem sein Gegner seinerseits einen Springer überhastet zieht. Im Endspiel hat Mario einen Mehrbauern, doch ermöglicht es der vorgeschobene Freibauer in Verbindung mit dem aktiven König dem Nachziehenden gerade noch, den rettenden Remishafen zu erreichen.

Christian durchlebt wieder einmal eine Kampfpartie mit Höhen und Tiefen. In einem zweischneidigen Franzosen opfert sein Gegner aggressiv eine Figur. Christian übersteht den Angriff unbeschadet, findet dann aber nicht die elegante Widerlegung 21.Sd4! dxe4 22.Th3!. Dennoch wird mit jedem Figurentausch deutlicher, dass die Kompensation des Nachziehenden nicht ganz ausreicht, insbesondere nachdem Schwarz mit 28…d4? einen seiner Mehrbauern einstellt. Schließlich erreicht Christian ein gewonnenes Endspiel mit Läufer und 4 Bauern gegen 6 schwarze Bauern. In Zeitnot den Gewinnweg zu finden ist allerdings nicht trivial, zumindest für Christian nicht. Unmittelbar nach der Partie befürchtet er, dass er den Sieg mit dem ominösen 40. Zug weggeworfen hat. Die nüchterne Analyse zeigt später ironischerweise, dass zwar 40.Kxa5 nicht zu beanstanden ist, er den Gewinn aber im 39. Zug und – nachdem sein Gegner ihm eine zweite Chance gibt – nochmals und diesmal endgültig im 41. Zug ausgelassen hat. Die jeweiligen Gewinnwege sind grundverschieden und instruktiv.

Die längste Partie des Tages beginnt als tragischer Kurzfilm, entpuppt sich dann aber als großes Kino. Ron tappt in eine Eröffnungsfalle und sitzt nach 11 Zügen entgeistert vor den Ruinen seiner Stellung. Dann geschehen wundersame Dinge. Sein Gegner verzichtet – möglicherweise auf der Jagd nach dem Schönheitspreis? – zweimal hintereinander auf eine unkomplizierte Gewinnabwicklung. Diese Chance ergreift Ron beim Schopf und befreit sich aus der misslichen Lage, wonach ihm einfach eine Mehrfigur verbleibt. Im weiteren Verlauf neutralisiert Ron geschickt das weiße Angriffspotential, tauscht möglichst viele Figuren und sammelt im Endspiel die weißen Mehrbauern ein. Nach der Zeitkontrolle führt er seinen verbliebenen Randbauern Schritt für Schritt zur Umwandlung und uns damit zum Mannschaftserfolg.

Mit viel Kampfgeist und etwas Glück können wir uns wieder einmal gegen Kriegshaber durchsetzen, der Wettkampf geht 5:3 zu unseren Gunsten aus. Im Anschluss genießen wir das gute Wetter und das nicht weniger gute Bier auf der Terrasse des Brauhauses Riegele und lassen die Saison Revue passieren. Unser Fazit fällt zwiespältig aus. Bereits in den Auftaktrunden handelten wir uns zwei deutliche und leider auch verdiente Niederlagen gegen Haunstetten und Rottal ein. Damit war, soviel ist im Rückblick klar, der Aufstiegszug bereits abgefahren. Ab der 4. Runde präsentierten wir uns als Team recht überzeugend und gaben nur noch ein Unentschieden in Garching ab. Garching ist dann auch verdienter Meister geworden, wir gratulieren und wünschen viel Erfolg in der Oberliga!

Unsere Einzelleistungen waren weniger homogen als im Vorjahr. Das zeigt sich auch an der DWZ-Auswertung, wo die Bandbreite von erstaunlichen +75 bis -35 reicht. Star der Mannschaft war unser Nesthäkchen Tobi, der mit königlichen 8 aus 9 Punktbester der gesamten Landesliga wurde – Tusch und Chapeau! Und Tom, der gerade erst im letzten Jahr Ligakönig war, kam mit fabelhaften 7 aus 9 direkt hinter Tobi ins Ziel. Wenn dieser Trend anhält, sollte das Podest der Topscorer in der nächsten Saison komplett in unserer Hand sein…

(cg, 17.04.2018)